Erfahrungen

Wie wirken sich autistische Störungen im Alltag aus?

Erinnern Sie sich an Anna

Erinnern Sie sich an Anna? Das kleine Mädchen zeigt die deutlichsten Auffälligkeiten im Bereich der Sprache. Sie spricht nicht und setzt auch kaum nonverbale Mittel zur Kommunikation ein. Sie vermeidet Blickkontakt und schaut auch nicht, wenn die Mutter auf einen Gegenstand hinweist. Anna selbst zeigt nicht auf Dinge und bringt ihrer Mutter nur ein Objekt, wenn sie ihre Hilfe, zB zum Öffnen braucht.

Die üblichen Bewegungs- und Singspiele interessieren Anna nicht, sie hört auch nicht zu, wenn der Vater etwas erzählt. Sie begrüsst ihn nicht, wenn er von der Arbeit kommt. Anna ist am liebsten allein. Sie kann stundenlang an den Rädern eines Spielzeugautos drehen oder Schubladen auf und zu machen. Spielfiguren oder Puppen lässt sie liegen. Glitzernde oder rotierende Objekte fesseln sie sehr.

Anna reagiert mit lautem Schreien auf gewisse Geräusche, zB des Staubsaugers oder des Küchenmixers. Sie beobachtet ihre Mutter nicht bei Haushaltsarbeiten und spielt diese auch nicht nach.

Anna ist eine sehr heikle Esserin und ernährt sich nur von 4 oder 5 Lebensmitteln. Sie zeigt auffällige Bewegungen, schaukelt mit dem Oberkörper oder wedelt mit den Händen. Machmal scheint sie sich bewusst Schmerzen zuzufügen und beisst sich in die Hand.
Wenn sie sich weh getan hat, lässt sie sich nicht trösten und schiebt ihre Mutter zur Seite. Sie zeigt überhaupt wenig Interesse an Körperkontakt, kann aber sehr grob sein und Andere heftig an den Haaren reissen.
Auf dem Spielplatz bleibt sie für sich oder läuft davon, ohne sich umzusehen, ob jemand mitkommt. Anna hat unendlich viel Energie und schläft wenig und unregelmässig.

Zum Glück zeigen die meisten Kinder mit einer ASS nicht alle diese Symptome. Trotzdem sind Kinder mit frühkindlichem Autismus wegen ihrer Verhaltensauffälligkeiten und dem oft fehlenden Ansprechen auf Erziehungsbemühungen der Eltern im Alltag wahrscheinlich die „schwierigsten“ Kinder. Das Gleiche gilt später für Erwachsene mit schwerem Autismus, die in Heimen in der Regel die intensivste Betreuung brauchen.

Erfahrung Anna – Schliessen

Das Leben von Robin

Das Leben von Robin sieht ganz anders aus.

Er ist sehr intelligent und redet viel. Über sein Spezialgebiet „Vulkane“ weiss er mehr als sein Lehrer. Er spricht häufig davon und merkt nicht, dass sich seine Mitschüler schon lange nicht mehr dafür interessieren. Er versteht ihre ironischen Bemerkungen (“ Das ist aber interressant!“) nicht. Robin hat überhaupt grosse Probleme zu verstehen, was seine Mitschüler denken und fühlen. Er vermeidet Blickkontakt und achtet nicht auf die Mimik und den Tonfall der Anderen. Er selbst spricht eher monoton, zeigt kaum Gesten und sein Gesicht bewegt sich nur wenig, so dass die Mitschüler nicht wissen, wie es ihm geht.

Robin ist in der Klasse ein Aussenseiter. Die Themen der Anderen findet er doof. Da er sehr empfindlich auf taktile Reize reagiert, trägt er am liebsten Trainerhosen und weite T-Shirts. Da er trotz Aufforderung der Eltern nur selten duscht, hat er manchmal einen störenden Körpergeruch.

Wenn der Lehrer einen Auftrag erteilt, hört er häufig nicht zu und verpasst wichtige Informationen. Die Geräusche der Mitschüler lenken ihn ab, das helle Licht im Klassenzimmer blendet ihn. Robin lernt nur für die Fächer, die ihn interessieren. Beim Französisch verweigert er die Mitarbeit völlig. Er schreibt sehr langsam und seine Schrift ist unleserlich. Obwohl eine schulpsychologische Untersuchung einen hohen IQ ergeben hat, ist noch unklar, ob er in die Sek A eingeteilt wird.

Zu Hause sucht er im Internet nach Informationen über Vulkane. Manchmal spielt er gegen den PC Schach. Wenn er einmal bei einem Gesellschaftsspiel mit Schwester und Eltern mitmacht, will er die Regeln bestimmen. Wenn er mit einer Regelauslegung nicht einverstanden war, hat er schon mehrmals
das Spielbrett einfach umgeworfen und ist davongelaufen. Er lädt auch keine Kinder zu sich ein, weil die seine Sachen durcheinander bringen und nicht so spielen, wie er will. An Geburtstagseinladungen ist er schon seit der 1. Klassen nicht mehr gegangen, weil es ihm dort viel zu laut und unruhig war. Jetzt wird er schon lange nicht mehr eingeladen.

Robin verreist nicht gern, weil er am Ferienort seinen gewohnten Tagesablauf nicht einhalten kann und auch nicht das Essen bekommt, das er gern hat. Er hat keine Freunde, scheint das aber nicht zu vermissen.

Erfahrung Robin – Schliessen